Donnerstag, 12. März 2009

Wer ist eigentlich Ingrid Noll?

Ingrid Noll liest am 11.3. in der Pforzheimer Thalia-Buchhandlung

Sie ist eine der erfolgreichsten Autorinnen des Kriminalromans und das obwohl "sie keine Krimis schreibt", wie sie selbst sagt. Ihre Werke haben klingende Namen wie "Der Hahn ist tot", "Die Häupter meiner Lieben", "Die Apothekerin" und "Kalt ist der Abendhauch."

"Seid Ihr auch alle da?" fragt die sympathische Autorin ihre Leser, die sie an diesem Mittwoch-Abend besonders herzlich begrüßt. Sie alle haben das schlechte Wetter in Kauf genommen, um sie zu sehen. Wegen des schlechten Wetters ist der Saal im obersten Stockwerk der Thalia-Buchhandlung nicht bis auf den letzten Platz gefüllt wie bei den vorherigen Lesungen der Autorin.
Bereits zum dritten Mal liest Ingrid Knoll vor einem Publikum mittleren Alters. Ihr neues, im Diogenes-Verlag erschienenes Buch, heißt "Kuckuckskind." Das Buch erzählt die Geschichte von Anja, die sich nichts sehnlicher als ein Kind wünscht. Als sie von einer nicht stattgefundenen Chorprobe nach Hause kommt, erwischt sie ihren Gatten Gernot in flagranti mit einer anderen. Verschreckt und in einem Anfall von Rachsucht schüttet sie den frisch gebrühten Kaffee " über die nackten Bäuche" - und erntet damit den ersten, aber nicht den einzigen Lacher des Abends.

Die Autorin begeistert ihre Leser an diesem Abend ein weiteres Mal mit ihrer lockeren und zugleich ernsten Art. Ihr Roman sei in der Ich-Form geschrieben, "doch die Protagonistin bin nicht ich", schmunzelt sie. Diese sei Ende 30 "und damit sie nicht rechnen müssen, ich werde 74." Ernst wird ihr Blick, wenn sie die Umstände schildert, denen sich die Protagonistin ausgesetzt sieht. Anja lässt sich scheiden, wird deswegen depressiv und lässt sich gehen. Sie ist Lehrerin, doch lässt die Hausaufgaben, die sie korrigieren soll, beiseite, um sich dem Sudoku zu widmen. Herrlich fängt Noll Alltagssituationen ein, denn "Anja kauft sich eine Menge Frauenzeitschriften, um jedes Sudoku zu lösen. Sie wird vom Internetwahn gepackt, weil sie nur damit beschäftigt ist, sich die neuesten Zahlenrätsel aus herunterzuladen. Wie der Titel des Romans verrät, soll sich Anjas Kinderwunsch am Ende erfüllen.

Ingrid Noll ist eine gute Beobachterin. Die Erlebnisse ihrer Figuren haben starke Ähnlichkeit mit denen der Autorin, sind ihr dennoch nicht persönlich geschehen. "Für dieses Buch habe ich sehr genau meine Kinder und Enkelkinder beobachtet", erzählt sie. Die fast 74-jährige Autorin ist erst spät Großmutter geworden. Und auch die "späten Großmütter" sind Thema des Buches.
"Warum sterben in Ihren Romanen die Männer oder werden von den Frauen umgebracht?", lautet eine Frage aus dem Publikum. "Die Frauen sind die Bösen, die die armen Männer erledigt haben", lacht die Autorin und das Publikum lacht mit ihr. Diese Tatsache ist nach den Aussagen der Autorin reine Beobachtung, keine Gesellschaftskritik. Ihre persönlichen Kritiker sind ihr Mann und die Kinder. Erst wenn fünf Leute ihr Skript gelesen haben, gibt sie es in die Hände ihrer Lektorin. Mit Ruhe spricht sie ihre Vorgehensweise von der Idee zur Niederschrift an: "Ich notiere nicht alles von vorne bis hinten, was ich später niederschreibe. Lediglich die Geburtsdaten ihrer Protagonisten bringt sie zu Papier, "weil ich so schlecht in Mathe war."

Welcher ihrer Leser darauf hofft, dass sie ihr Leben in Form einer Autobiographie niederschreibt, wird enttäuscht. Sympathisch und und ihren Lesern gegenüber sehr offen wirkt die Autorin auch während dieser Lesung. Dennoch führe sie kein Tagebuch, "weil ich Angst habe, dass es jemand aus meiner Familie veröffentlicht." Ingrid Noll hat einen Ausgleich in ihrer Familie gefunden wahrt dennoch ihre Privatsphäre, das merkt man.

Nachdem sie bereits den Kinofilmen "Die Apothekerin" (unter anderem mit Katja Riemann, 1997), "Kalt ist der Abendhauch" (mit Fritzi Haberlandt und anderen, 2000) und den "Häuptern meiner Lieben" (unter anderem mit Heike Makatsch, 1999) mit ihren Büchern die Textvorlage geliefert hat, kommt in Kürze "Ladylike"als Fernsehfilm ins ZDF.

Ingrid Noll: "Kuckuckskind", Diogenes, 2009, 352 Seiten, gebunden, 21,90 Euro




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