Freitag, 23. April 2010

Die Medien und der Islam – eine endlose Geschichte eines fehlenden Entgegenkommens

Ist der Islam im gleichen Atemzug mit den Begriffen „Kopftuch, Koran und Terrorismus“ zu nennen? Wenn man die deutsche Medienlandschaft betrachtet, hat dies so den Anschein. Jede zweite „Schock“-Meldung ist eine Reaktion darauf, dass die muslimischen Frauen ein Kopftuch oder gar eine Ganzkörper-Verschleierung, die so genannte „Burka“, tragen. Schaffen die Medien ein falsches Bild des Islams in Deutschland? Mit dieser Frage beschäftigten sich Mitarbeiter der Hörfunkschule und des Evangelischen Medienhauses Frankfurt zusammen mit Jung-Journalisten am 15. April im Frankfurter Medienhaus. Zu Gast bei der Veranstaltung „ Islam= Kopftuch, Koran, Terrorismus“ war der Journalist, Islamwissenschaftler und Muslim Abdul-Ahmad Rashid. Er ist leitender Redakteur und Moderator der Internet-Sendung des ZDFs „Forum am Freitag“. In Chats und Foren, die neben Rashid auch von Kamran Safiarian (http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1005564/Islamkonferenz-in-Frage-gestellt#/beitrag/video/1005564/Islamkonferenz-in-Frage-gestellt) moderiert werden, können sich die Nutzer untereinander austauschen. Das Angebot ist nur online zugänglich, was einen Diskussionspunkt darstellte. Rashid selbst begründete es damit, dass es wegen der Verwertungsrechte unkomplizierter sei. Weil der Islam keine anerkannte Religionsgemeinschaft in Deutschland sei, erreiche das „Forum am Freitag“ seine Zielgruppe nur im Internet. Lobend erwähnte er an dieser Stelle einen Vorteil des Internets: immer und überall abrufbar zu sein. Der zwanzig minütige Dokumentarfilm, der die Debatte an diesem Abend anstoßen sollte, war nicht übers Internet, sondern auf der Leinwand im hauseigenen Kinosaal des Medienhauses zu sehen. Hervorgegangen aus dem Wuppertaler Medienprojekt „Jung und Muslim in Deutschland“ widmete sich der Film der Frage, wie der Islam in den Medien dargestellt wird. Hintergrund für die verzerrte Darstellung in den Medien ist nach Angaben der Erlanger Medienwissenschaftlerin und Institutsleiterin des Instituts für Medienverantwortung, Dr. Sabine Schiffer, die Technik des „Induktionsschnitts“. So veröffentlichten Medien oft Fotos nebeneinander, die einen falschen Deutungs-Zusammenhang ergäben. Zu ähnlichen Ergebnissen kam die Mainzer Journalistin Khola Maryam Hübsch. In einer Studie über das mediale Islambild kam sie zu dem Ergebnis, dass durch Auswahl der Bilder und Wahl der Überschriften wie „Allahs rechtlose Töchter“ ein eindeutig negatives Bild geschürt würde (siehe auch mein Beitrag über Hübschs Mitwirken innerhalb des Interreligiösen Dialogs "Was ist eigentlich ein Interreligiöser Dialog?"). Im Film kommt auch die durch die Medien angesprochene Öffentlichkeit zu Wort. Die jugendlichen Teilnehmer des Projekts fragten Passanten, was ihnen zum Thema „Islam“ einfiele. Die Muslime haben den Eindruck, dass zu wenig Deutsche etwas über sie selbst, ihre Kultur und Religion wissen. Die Ergebnisse der im Film gezeigten Umfrage bestätigten diese Annahme. Dabei war den Befragten allerdings lediglich klar, dass in Deutschland ein schlechtes Bild vom Islam existiert. Sie konnten jedoch nicht von eigenen schlechten Erfahrungen berichten. Eine Muslima empörte sich über die Kopftuch-Debatte: „Andere Leute tragen doch auch Kopftücher.“ Eine weitere äußerte sich stark selbstkritisch: „Wir müssen mehr tun.“ Bis jetzt ist davon noch nicht viel zu spüren. Bis auf die öffentliche Debatte anlässlich des Scheiterns der Islamkonferenz in den vergangenen Wochen http://islam.de/15692.php fehlt auch ein Entgegenkommen der Muslime gegenüber der deutschen Bevölkerung.
Die Wahl des Dokumentarfilms fällt ein wenig unglücklich aus. So bemängelt ein Teilnehmer zu Recht, dass der Film die gängigen Klischees nur wider spiegele. So ist beispielsweise kein Vertreter von dem kritisierten Medium Spiegel Online im Film zu sehen.
Demgegenüber lobt Abdul-Ahmad Rashid die „vielen guten Berichte“ bei den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten. Es ist einer der Momente, in denen der Redakteur hilflos, gar verzweifelt, wirkt. So gestaltet sich sein Lob und Tadeln der Vermittlung des Islambildes durch die Medien etwas schwierig, wenn man bedenkt, dass beispielsweise sowohl die Deutschen, als auch die Muslime Nachholbedarf beim gegenseitigen Interesse aneinander bekunden. Deutsche Journalisten seien ihm zu wenig kritisch, sagt er. Betrachtet man die Debatte in den Feuilletons der vergangenen Wochen, spürt man eine gewisse Polemik in den Debatten ausgehend von Henryk M. Broder und Necla Selek, die beide mit dem Islam bestens vertraut sind und die öffentliche Debatte vielfach befeuern.
Einer Lösung der Probleme in Akzeptanz und Darstellung kam man an diesem Abend nicht näher. Liegt sie darin, durch weniger Berichterstattung religiöse Aspekte nicht noch mehr zu betonen? Das Paradoxe am Vorwurf an die Medien, sie stellten ein verzerrtes Bild des Islams dar, ist, dass sie nur abbilden können, was sie sehen. Frauen mit Kopftüchern sind für jeden ersichtlich, der mit offenen Augen durch die Stadt geht. Initiativen der Muslime, die dieses Bild zerstören, abzubilden, erfordert mehr Engagement. Beide Seiten, Journalisten und Muslime, bleiben gefordert.

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