Samstag, 18. Mai 2013

Wer ist Schuld an der Finanzkrise? - Alle!

Viele der deutschen Medien geben den Banken die Schuld an der Finanzkrise, die sich angesichts der Globalisierung zu einer Wirtschaftskrise ausgeweitet hat. Sie sprechen noch dazu von einer mangelnden Moral, mit der die Menschen, die am Wirtschaftskreislauf teilnehmen, agieren.

In einer Gesellschaft kann keiner nur für sich agieren

Eine Gesellschaft besteht laut dem Soziologen und Kulturwissenschaftler Niklas Luhmann aus verschiedenen Systemen. Sie funktioniert über soziales Handeln, über das die Mitglieder der Gesellschaft miteinander kommunizieren. Kommunikation entsteht durch die Wechselwirkung von System und Umwelt. Ein System sind dem Kulturwissenschaftler zu Folge verschiedene Einheiten, in denen die Akteure nach einem bestimmten Programm agieren und sich über ein bestimmtes Medium verständigen. Deren Handeln hat unterschiedliche Funktionen. Die Funktion des Wirtschaftens ist zum Beispiel die materielle Reproduktion. Das Medium, mit dem Handel betrieben wird, ist das Geld. Das Programm ist die Knappheit, denn mit dem geringsten Aufwand soll der höchstmögliche Ertrag erzielt werden. Investiert ein Unternehmer mehr in seine Firma als er verdient, ist dies unwirtschaftlich und für ihn unvorteilhaft. Luhmann räumt dem einzelnen System in seiner Theorie Spielraum ein, der Platz für Fehlerquellen bietet. Ein soziales System besteht aus zusammen hängenden aufeinander bezogenen und aufeinander verweisenden sozialen Handlungen, die sich gegenseitig beeinflussen. Wenn mehrere Unternehmen pleite gehen, hat das Folgen, die nicht nur die Unternehmer selbst, sondern auch deren Angestellte und Familien betreffen: Die Mitarbeiter verlieren ihren Job. Sie haben zu wenig Geld, um den Konsum anzuregen und damit den Wirtschaftskreislauf in Gang zu halten. Ihre Familie und sie selbst müssen sich finanziell einschränken.

Die Banken spielen in der Krise eine große Rolle

Selbst die zweite größte deutsche Bank, die „Commerzbank“, steckt in der Finanzkrise in großen finanziellen Schwierigkeiten. Den Banken kommt eine große Rolle innerhalb der Gesellschaft zu. Sie vergeben Kredite oder Startkapital an Unternehmen. Die großen Banken spekulieren noch dazu mit dem Geld der Bürger. Diese hoffen darauf, dass sich ihr Geld in Aktiengesellschaften oder durch hohe Zinsen der Banken vermehrt.

Wo bleibt da die Moral?

Jedes Handeln ist getrieben von verschiedenen Motiven und normalerweise auch von Moral. Dank ihrer sollen sich Menschen Gedanken darüber machen, welche Folgen ihr Handeln unter Umständen auf andere haben kann. Einige Medien beklagen die mangelnde Moral derer, die den größten Einfluss auf den Wirtschaftskreislauf haben, die Bankenmanager. Weder Luhmann, noch die Wirtschaftswissenschaften sehen im Verhalten der Bankenmanager bei Spekulationsgeschäften eine moralische Komponente. Im Sinne der Volkswirtschaftlehre ist Moral auf Menschen bezogen, während Wirtschaftsformen wie Geld weder moralisch, noch unmoralisch sein können.

Weil man von unrealistischen Annahmen ausgeht, sind Fehler vorprogrammiert

Die Volkswirtschaftslehre geht von unrealistischen, weil vollkommenen Annahmen aus. Im Modell des Systems verhalten sich alle Teilnehmer rational und sind mit einem vollkommenen Wettbewerb konfrontiert. In diesem haben alle Väter und Mütter einen Job, die Nachfrage entspricht dem Angebot. Jeder ist sich bewusst, dass die Vollkommenheit nicht eintreten kann. Immer, wenn der Markt gesättigt ist, entsteht ein Ungleichgewicht. Das ist die Konsequenz der freien Marktwirtschaft, nach der unser wirtschaftliches Handeln funktioniert. Deshalb ist auch nicht das System des Kapitalismus alleine Schuld an der Misere. Weil die Mitglieder der Gesellschaft frei in ihrem Handeln sind, müssen sie sich selbst für eine Sozialordnung einsetzen, die dafür sorgt, dass die Güter in einer Gesellschaft gleich verteilt werden. In der Realität ist dies auf Grund eines schwankenden Konjunkturzyklus‘ und eines niemals ausgewogenen Verhältnisses von Angebot und Nachfrage nicht möglich. Deshalb überlegen die Politiker, ob im Falle des Konkurses einer Bank, bei dem auch die Gelder und Spareinlagen der Bürger verloren gehen, der Staat eingreifen und die Bank verstaatlichen muss.

Der Bürger ist mündig – und für sein Verhalten selbst verantwortlich

Auch der Spekulant handelt im System der Wirtschaft nach seinen eigenen Regeln und Gesetzen. Von Moral gelenkt ist sein Verhalten sicher nicht. Denn was tut er, wenn seine Kurse schlecht stehen und er dies rechtzeitig bemerkt? Er verkauft seine schlechten Papiere und stellt sie dem freien Markt wieder zur Verfügung. Er handelt in diesem Sinne rational, weil er durch seine Anteile, die in einem schlechten Kurs stehen, nur Verluste macht. Er hat in dem Moment keinen Nutzen davon, wenn er im moralischen Sinne an die Folgen seines Handelns für die anderen Marktteilnehmer denkt. Denn sie alle sind mündige Bürger, die in einer Demokratie leben. In diesem Sinne sind sie frei zu entscheiden, was sie mit ihren wirtschaftlichen Gütern tun. In diesem Sinne trägt jeder Bürger einen Teil der Schuld an der Wirtschaftskrise. Wie Luhmann schon erkannte, können einzelne Systeme in der Gesellschaft nicht so agieren, dass ihr Verhalten kein Einfluss auf das der anderen hat. Alle Mitglieder der Gesellschaft müssen gemeinsam über eine Lösung der Finanzkrise beraten. - Diesen Artikel habe ich 2009, als die Krise auch medial sehr starke Ausmaße annahm, neben meinem Studium verfasst. -