Dienstag, 9. März 2010

Was ist eigentlich ein "Interreligiöser Dialog"?


Diese Frage stellte mir kürzlich mein Dozent während unseres Interviewtrainings. Meine Kommilitonen und ich hatten ein Video von einem Interview zu diesem Thema gedreht. Darin befragte ich Pfarrerin Gabriele Zander von der Evangelischen Studierendengemeinde (ESG) zum Interreligiösen Dialog.
Viele wissen mit dem Begriff nichts anzufangen.Hier nun mehr dazu. Auch in meinem Lebenslauf ist schließlich von meinem Engagement im Interreligiösen Dialog die Rede.

Angefangen hat alles eigentlich mit unserem Semesterprojekt des zweiten Semesters. Hier sollten wir uns in Gruppen zusammen tun, um unter dem Oberthema "Religion und Spiritualität" Themen zu bearbeiten. So widmeten wir uns der Reihe "Gottesdienstbesuche". Das hieß im Klartext, dass wir uns gegenseitig im Gottesdienst besuchten und darüber sprachen, wie unser Glaube in der Praxis gelebt würde. So war ich zum Beispiel ganz erstaunt darüber, dass Muslime nicht am Sonntag,sondern freitags ihren Gottesdienst feiern. Ihr Gottesdienst heißt dann dementsprechend "Freitagsgebet". Und wie oft die Muslime beten, in wie vielen verschiedenen Haltungen, das war mir ganz neu. Aber wie mir unser Pfarrer damals erzählte, war das bei den Christen ursprünglich auch nicht anders. Auch hier sollten die Gläubigen eigentlich während des Gebets kein Auge auf ihren Partner werfen - zumindest der Dogmatik nach. Dieses und andere Themen wie das Kopftuch erregen ja sowieso ständig die Gemüter, aber dazu später mehr. Unsere Artikel aus dem Semesterprojekt findet Ihr unter http://journalismus.h-da.de/projekte/ss09/augenblick/.

Die Rolle der Frau

Seit einiger Zeit besuche ich mit meiner Kommilitonin auch Vorträge über den Islam.
Sie ist in ihrer islamischen Gemeinde für den Interreligiösen Dialog zuständig. Glaubenskriege müssen meiner Meinung nach nicht sein, weswegen ich mich dafür einsetze, ein gegenseitiges Verständnis füreiander zu schaffen. Schließlich kennt die Wahrheit unseres Daseins und Glaubens sowieso nur Gott allein. Letztens waren wir zum Beispiel bei einem Vortrag über die Rolle der Frau im Islam, ausgehend vom Islamischen Studentenverein der Technischen Universität (TU) Darmstadt. Dabei versuchte Saloua Mohammed, Pressesprecherin der "Lifemakers", einige Vorurteile über die Unterdrückug der islamischen Frau zu zerstreuen. Und scheinbar hat es geholfen, denn auch einige Männer im Publikum zeigten sich verständnisvoll. Gestern war Weltfrauentag und wieder fladderte ein paar Tage im Vorraus eine Einladung von meiner Kommilitonin zu einer Veranstaltung in mein Email-Postfach. Zusammen mit der Gemeinde meiner Kommilitonin lud die Abteilung für Chancengleichheit des Landkreises Darmstadt-Dieburg zum Gespräch über den Interreligiösen Dialog ein. Der Dialog fand dieses Mal tatsächlich nicht nur auf christlich-islamischer, sondern auch ökomenischer Basis statt. Annette Claar-Kreh vom Evangelischen Dekanat Vorderer Odenwald bot einen geschichtlichen Rückblick auf die Entstehung des evangelischen Glaubens. Die Dieburger Gemeindereferentin Claudia Schöning berichtete über den katholischen Glauben. Die Journalistin Khola Maryam Hübsch aus der Gemeinde meiner Kommilitonin stellte eine Studie über das Islambild, wie es in hießigen Medien häufig propagiert wird, vor.

Wann erfuhr die Frau ihre Gleichstellung gegenüber dem Mann? Wie steht es um die Toleranz untereinander? Und ist das Sexverbot, oder anders ausgedrückt: die Enthaltsamkeit, bei den Priestern Schuld an den zahlreichen Missbrauchsfällen? Um diese Fragen drehte sich vor allem die anschließende Diskussion.

Witzig war der Einstieg zum anschließenden Vortrag von Frau Claar-Kreh: "Die katholische Kirche war vorher da, die evangelische Kirche ist eigentlich eine Protestbewegung gegen die katholische." Schließlich protestierte Luther gegen den Ablasshandel, weshalb die Gläubiger seiner Zeit "Protestanten" genannt wurden. Das war uns Evangelischen möglicherweise noch bewusst. Aber dass die zehn Gebote als erstes Sozialgesetzbuch gelten, war sicherlich nicht nur mir neu. Die Thora enthält nicht nur zehn Gebote, sondern auch viele weitere, unter anderem auch Reinheitsgebote für die Frauen während ihrer Tage. Wie Claar-Kreh betonte "als Schutzfunktion." So mussten sie auch bestimmte Waschungen durchführen und die Männer durften sie in dieser Zeit nicht anrühren. Aber schon hier wurde dies vielfach von den Männern ausgenutzt und Jesus musste eingreifen. "Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein", sprach Jesus und schützte damals eine sündige Frau im Gleichnis.

Eine der großen philosophischen Menschheitsfragen ließ auch Claar-Kreh nicht unversucht: Ist der Mensch gut oder böse? Nach Meinung von Claar-Kreh wohl nicht. Denn laut ihrer Aussage ist die sündige Eva ein Sinnbild für das Böse in der Welt. Ein Bild, das "die Kirche" entworfen habe. Eigentlich sei der Genuss des paradiesischen Apfels doch nur ein Beispiel für das Streben des Menschen nach Autonomie. Ist das weniger böse? Und hat sich Adam etwa mehr an das Wort Gottes gehalten?
Jedenfalls wissen wir seit gestern, dass die Verdienste der Frauen, besonders in der Bibel, in der Vergangenheit schlichtweg nicht gewürdigt worden sind. Die Frauen fanden Jesu' leeres Grab, während die Männer Angst vor den Römern hatten. Und gottseidank dürfen seit 1954 Frauen Pfarrerinnen werden. Und letztlich gibt es überall Gleichstellungsbeauftragte und eine feministische Theologie, die Gott in seiner weiblichen und männlichen Seite erscheinen lässt.
Claudia Schöning bedauerte, dass nach der katholischen Lehre Paulus die Souveränität der Frauen wieder einzuschränken versucht hatte, weil sie in der Gemeinde schweigen sollten. Sie freue sich dagegen, dass sie als Gemeindereferentin ständig und gut mit dem Pfarrer zusammenarbeiten könne. Neben Claar-Kreh betonte auch sie die Wichtigkeit von Beratungsangeboten für Frauen im Falle einer ungewollten Schwangerschaft oder ähnlichem. Offener gegenüber diesem Thema zeigte sich verständlicherweise Claar-Kreh. Denn evangelische Pfarrer dürfen nach wie vor heiraten, während Priester dies nicht dürfen.
Ein konkretes Beispiel für einen gelingenden Interreligiösen Dialog fand Schöning auch. So freute sie sich darüber, dass die Mitarbeiter der katholischen Kindergärten gelernt haben, sich mit den Kindern über den Islam zu unterhalten und über ein gutes Miteinander zu freuen.
Khola Maryam Hübsch sprach über das so genannte "Framing", also darüber, wie eine bestimmte Art der Wahrnehmung geschürt wird. So kritiserte sie besonders die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, die durch die Auswahl von Fotos und Bildunterschriften die Tatsachen verfremde. So würden auch nur Frauen in "sogenanten islamischen Ländern", aber keine hier in Deutschland lebenden Frauen mit Migrationshintergrund gezeigt.
Natürlich sprach sie auch das Gleichstellungsproblem der Frau gegenüber dem Mann an. "Genau wie im Christentum stehen die Männer vor den Frauen. Aber laut Koran gibt es keine Auszeichnung vor der anderen, Mann und Frau sind aus einem Wesen erschaffen." Laut einer Überlieferung heißt das im Sinne des Propheten wörtlich: "Der Beste unter Euch ist derjenige, der seine Frau am besten behandelt." Hoffentlich gestaltet sich das in der Tat häufiger so in der Realität.
Die Gemeinde meiner Kommilitonin betont die Bildung bei der Frau. Einige Studien, unter anderem die Konrad-Adenauer-Stiftung haben herausgefunden, dass Frauen mit Migrationshintergrund eindeutig zu den Bildungsaufsteigerinnen gehören
Bei der Diskussion blieb anschließend die Frage nach dem Kopftuch nicht aus. Warum zum Beispiel gibt es kein Kopftuch für den Mann? Weil er "die Augen zu Boden richten soll". So solle das Kopftuch sexuelle Reize verdecken, "weil wir nicht auf äußere Reize reduziert werden wollen." Machen sich muslimische Frauen, die zwar ein Kopftuch, aber auch ein hautenges Kleid tragen, da nicht lächerlich? Selbst Frau Hübsch musste bei dieser Frage aus dem Publikum lächeln. Zu offensichtlich ist, dass diese Strategie weibliche Reize mehr betont, denn verdeckt. Verschweigen sollte man hier nicht, dass es auch im Judentum ein Kopftuchgebot gab. Tatsächlich verhüllte sich die Frau beim Gebet hier aus Unterwürfigkeit vor ihrem Mann, während der Mann nur Gott untersteht.

Sehr interessant war die Sehnsucht nach dem Paradies, sowohl in der christlichen, als auch islamischen Religion. Im christlichen Sinne ist eine Jungfrau Sinbild für Reinheit und vielfach auch für Perfektion, aber auch für die Nähe zu Gott. Auch Maria sei ja Jesus ganz nahe gewesen, so Schöning. Auch im Islam sei sie, so Hübsch, ein Sinnbild dafür, wie es ist, Gott ganz nahe zu sein. Für Selbstmordattentäter sei aber die Jungfrau interessanter als die Nähe zu Gott. Ein Versprechen, das sich Selbstmordattentäter machten, sei es, im Pradies auf ganz viele Jungfrauen zu stoßen. Letzlich endete die Debatte mit der Frage, ob die sexuelle Enthaltsamkeit die Ursache für die Missbrauchsfälle gewesen sei- was die Referentinnen verneinten - und was nicht ganz der Meinung des Publikums entsprach...

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